Donnerstag, 31. Dezember 2009

Der Erpel

Ein kecker Erpel
reckt seinen Sterpel
hinauf zum großen Berpel
und spricht:
Du bist der große Berpel
Aber mein ist mein Sterpel.
Du kannst mich mal...
Dein sehr ergebener Erpel

jn, 25. 08. 2007

Glossar: :
Berpel = Jahwe, Gottvater, Allah, Manitu u. ä.
Erpel = Gatte einer Ente
Sterpel = Sterz, Hintern

Mittwoch, 30. Dezember 2009

Ausblick

Vorgestern war Frühling.
Möricke, blaues Band
undsoweiter.
Und Gänse verirrten sich
in Richtung Norden.

Gestern lag kalter Dunst
über bereifter Landschaft und über
Flecken von schmutzigem Schnee.
Die Gänse kehrten zurück
nach Süden.

Heute fällt Neuschnee.
Die Meteorologen munkeln
von Untergang in Weiß
zu Silvester.

Kopenhagen lässt grüßen*

jn, 30. Dezember 2009

*gemeint ist die Klimakonferenz  vom 7. bis zum 
18. Dezember 2009 in Kopenhagen

Dienstag, 29. Dezember 2009

Autor zu entdecken: Barack Obama

Auf Anhieb fallen mir im ganzen 20. Jahrhundert nur zwei bedeutende Politiker ein, die sich als glänzende Schriftsteller entpuppt haben: Walther Rathenau und Winston Churchill. Allzu häufig passiert es eben nicht, dass Leute mit ausgeprägtem Machtinstinkt atemberaubende Literatur zuwegebringen. Die jeweils erforderlichen Begabungen scheinen kaum kompatibel zu sein. In Gegenrichtung gilt das gleiche: Der Romancier André Malraux hat als Charles de Gaulles Kulturminister vermutlich nur Ehre eingelegt, weil er seit seiner Kindheit am sogenannten Tourette-Syndrom litt, einer Krankheit, die dazu führt, dass der Patient lästigen Tics ausgeliefert ist und seine Mitmenschen immer wieder mit ungewöhnlichen Äußerungen überrascht. Und: Vaclav Havel hätte sich im Lande Schwejks sicherlich mit seinem Dasein als erfolgreicher Dramatiker zufrieden gegeben, wenn ihn das Ausnahme-Ereignis der Samtenen Revolution von 1989 nicht in den Hradschin befördert hätte. Doch jetzt ist ein neuer Fall von Doppelbegabung zu vermelden.

Sich über den Politiker Barack Obama Sorgen zu machen, scheint Mode zu werden und – ist erschreckend kurzsichtig. Erst haben ihn seine Anhänger zum Retter der Menschheit erkoren, was ohnehin eine schwere Last ist, die aber seit dem Friedensnobelpreis noch unangenehmer zu tragen sein muss; nun jammert das Publikum, dass der Präsident mit hundert Knüppeln seiner Gegner zwischen den Beinen nicht rascher vorankommt. Dabei hat er innerhalb von einem knappen Jahr geschafft, was zwei Dutzend US-Präsidenten vor ihm nicht zustande gebracht haben, obwohl Bismarck ihnen anno 1883 vorgemacht hatte, wie so etwas zu laufen hat – nämlich eine anständige Krankenversicherung fürs Volk zu schaffen, wobei Bismarck, ebenfalls ein bedeutender Autor, bekanntlich nicht gerade ein Linker war.

Der Politiker Obama berechtigt also durchaus zu weiteren Hoffnungen. Der Literat Obama bleibt noch zu entdecken. Wenn ich es richtig sehe, hat er jedenfalls nicht das Aufsehen geerntet, das ihm für seine Auskünfte über Herkommen, Kindheit, Jugend und erste Erfolge zustand. Die frühen Erinnerungen an einen Amerikanischen Traum, im Original um einiges präziser: Dreams from my Father, brachten Times Books 1995 heraus, als der Verfasser zum ersten schwarzen oder besser halbschwarzen Präsidenten der Harvard Law Review gewählt worden war. Im Vorfeld zur Wahl ins nächste Präsidentenamt, nun zu dem im Weißen Haus, waren sie wieder auf den Markt. Die deutsche Übersetzung erschien mit dem Qualitätsigel von Hanser 2008. Inzwischen ist das Taschenbuch hierzulande seit Mai 2009 auch schon in der sechsten Auflage. In den Debatten über das Phänomen Obama fällt das Buch erstaunlicher Weise trotzdem kaum ins Gewicht.

Sicherlich, der US-Präsident Barack Obama und das, was tagtäglich über ihn in den Zeitungen steht, mögen zunächst wichtiger sein, aber wer er wirklich ist, erfahren wir nirgendwo besser als aus dieser Quelle. Dass seine frühen Memoiren hundert Seiten zu lang seien, sagt er im Vorwort selber. Weitläufig sind sie in der Tat; dafür sorgen Grübeleien und – in direkter Rede – reichlich Debatten mit Freunden über Hautfarbe und Sklavenerbe. Aber dieser Politiker ist verblüffend ehrlich. Dabei spielt er raffiniert mit der Frage nach seinem afrikanischen Vater und meisterhaft mit glimpses. Diese Erzählechnik: Der Autor notiert einen scheinar flüchtigen Blick auf irgendetwas, und dem Leser fallen die Schuppen von den Augen.

Zum Beispiel Seite 156: Nach einem wichtigen Gespräch über seine Zukunft geht Obama zu Fuß nach Hause. Als es dunkelt, setzt er sich am East River auf eine Bank, um nachzudenken. Eine Schwarze und ihr Sohn nähern sich. Der Junge zieht seine Mutter zum Geländer am Flussufer und fragt sie etwas. Die Frau zuckt mit den Achseln. Der Junge läuft zu dem unbekannten Mann auf der Bank und fragt: „Entschuldigung, Mister, wissen Sie, warum das Wasser manchmal in die eine Richtung und manchmal in die andere fließt?“ Obama denkt nach und sagt, dass es vermutlich mit Ebbe und Flut zu tun habe. Der Junge scheint mit der Antwort zufrieden zu sein. Originalton Obama: „Während die beiden in der Dämmerung verschwanden, wurde mir klar, dass ich nie darauf geachtet hatte, in welche Richtung der East River fließt.“ – Ein Meisterstück von einem glimpse; es treibt im Kopf des Lesers dahin wie das Wasser im East River, mal in diese, mal in jene Richtung.

Falls jemand wissen will, was 2009 meine wichtigste Lektüre war, antworte ich, dass ich auf Fragen dieser Art grundsätzlich nicht eingehe. Aber Obamas Amerikanischer Traum gehört zu den wichtigen.

Jost Nolte, 29. Dezember 2009

Barack Obama:
Ein amerikanischer Traum -
Die Geschichte meiner Familie

dtv, München 2009
444 S., 9,90 €