Luise bittet Napoleon um Gnade
in: Carl Röchling u.a., Die Königin Luise in 50 Bildern für Jung und Alt, Berlin 1896
Dem Hohenzollern-Fresser Franz Mehring (1846-1919), der als Dessert regelmäßig preußische Junker verzehrte, müssen wir gewiss nicht jedes Wort glauben. Ein wacher Kopf aber war dieser Autor, der Geschichts-schreibung als klassenpädagogische Aufgabe verstand. Nicht wenige seiner Texte lesen sich bis heute überaus erfrischend. Was Luise, die muntere Gattin des stocksteifen Preußenkönigs Friedrich Wilhelms III. anging, deren Todestag sich am 19. Juli dieses Jahres zum 200. Mal jährt, so lohnt es sich, Mehrings Meinung über sie nachzulesen, bevor sich die zu erwartende Flut herzerwärmender Würdigungen über uns ergießt. Selbst der von anderen als tapfer gepriesene, wenn auch leider vergebliche Versuch der Königin, in Tilsit den Sieger Napoleon zum Vorteil ihrer Untertanen milde zu stimmen, lindert denn Zorn ihres schärfsten Kritikers nicht: „Der wirkliche Wert dieser Landesmutter enthüllte sich... erst nach dem furchtbaren Zusammenbruche des altpreußischen Staates, unter dem Druck des Schicksals, das auch kleine Seelen hätte erheben und läutern können. Zur Zeit, wo Hunger und Not wie die apokalyptischen Reiter durch das ausgesogene und verwüstete Land jagten, jammerte die Königin über die notwendige Einschränkung der verschwenderischen Hofhaltung: «Wir haben zu Mittag vier Gänge, zum Abend drei, das ist alles. Wir leben von der Luft», und um eine Vergnügungsreise nach Petersburg antreten zu können, scheute sie sich nicht, öffentliche Gelder anzugreifen, die dem verheerten Masuren gehörten und zu dessen Wiederherstellung bestimmt waren. Als sich [der Reichsfreiherr vom und zum] Stein dem widersetze, verband sich die Königin mit dem verächtlichsten Junkerpack, um den Reformminister zu stürzen... Es ist natürlich auch byzantinischer Schwindel, dass die Königin an gebrochenem Herzen gestorben sein soll, aus patriotischem Kummer über die fremde Tyrannei. Sie starb an einem körperlichen Leiden, wieder auf einer Vergnügungsfahrt, die sie in heiterster Stimmung angetreten hatte.“
Aus: Franz Mehring, Zur deutschen Geschichte von der Zeit der Französischen Revolution bis zum Vormärz, Berlin (Dietz Verlag) 1972, S.78 f
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