Unsereinem verschlägt die Pointe den Atem: Der Komiker Steve Martin soll bei der Verleihung des Oscar seinen Kollegen Christoph Waltz aus Wien vorstellen, der für seine Rolle als so charmanter wie intelligenter, wenn auch im übrigen charakteramputierter Judenmörder in Quentin Tarantinos Inglourouis Basterds den Oscar für die beste Nebenrolle bekommt, und Steve Martin sagt: "Christoph Waltz played a Nazi obsessed with finding Jews." Der Laudator zögert zwei, drei wirkungsträchtige Sekunden lang, zeigt mit ausholender Geste auf das Publikum im Saal und fügt hinzu: "Well, Christoph, the mother lode." Auf Deutsch: „Christoph Waltz ist besessen davon, Juden zusammenzutreiben. Also Christoph, [sieh dich um, das hier ist] die Goldader...“
Wie in Hollywood jüdische Anwesende auf Steve Martins Scherz reagiert haben, weiß ich nicht. Ebenso wenig weiß ich, ob der Witz ganz oder teilweise die Schockstarre ausgelöst hat, in die Waltz nach eigenem Bekunden während der Verleihung des 82. Academy Award gefallen ist. Vielleicht hat der geehrte Nebendarsteller in seiner Aufregung nicht einmal richtig hingehört, was der Moderator sagte, und der wollte womöglich wirklich nur einen Witz reißen. Aber da ist etwas Gefährliches im Gange, und das nicht erst seit gestern: Das Vergnügen an Nazis gerät außer Rand und Band.
Tarantinos Film, darüber sollte weiter kein Wort zu verlieren sein, ist Schund in 148 Minuten.* Das gilt in künstlerischer Hinsicht und in historischer erst recht, und dies beileibe nicht nur, weil Hitler und Goebbels nun einmal nicht Anfang Juni 1944 in Paris einem Attentat zum Opfer gefallen sind, wie der Film behauptet, sondern leider erst Ende April in Berlin Selbstmord begangen haben.
Das einzig Gute an Tarantinos Regietat ist, dass Brad Pitt, in dessen Adern laut Drehbuch Indianerblut fließt und der darum gern Nazis skalpiert, in gemeinschaftlicher Handlung mit einem jüdischen Kameraden am Ende dem Kollegen Waltz genüsslich ein Hakenkreuz in die Stirn ritzt. Hollywood aber schließt Christoph Waltz ausgerechnet für diese Rolle in die Arme, und dem Laudator Steve Martin entgleist ein Witz über Juden, die Hitlers Holocaust zum Trotz auch im Jahre 2010 noch am Leben sind.
Selbstredend – die Kunst darf sich über die Schoah hermachen; sie darf sogar wie Ernst Lubitsch schon 1942 in To Be or Not to Be mit dem Entsetzen Spott treiben. Kunst muss nur Kunst und darf nicht Schund sein.
Riskant bleibt der Versuch immer. Das hat selbst Peter Zadeks perfektes Ghetto-Musical von 1982 in Hamburg gezeigt. Gemessen an den Inglourouis Basterds aber sind Jonathan Littells unverschämte Bienveillantes Weltliteratur, und kein Markus Lüpertz muss sich für noch so stumpfsinnige Nazi-Attribute auf seiner Leinwand genieren.
*Dieser Satz war leichtfertig. Wie Rezensionen über den Film beweisen, lieben Cineasten Tarantino, und Inglourouis Basterds ist für viele von ihnen ein Meisterwerk. Ich bleibe trotzdem bei meinem Urteil. (jn, 11. März 2010)
*Dieser Satz war leichtfertig. Wie Rezensionen über den Film beweisen, lieben Cineasten Tarantino, und Inglourouis Basterds ist für viele von ihnen ein Meisterwerk. Ich bleibe trotzdem bei meinem Urteil. (jn, 11. März 2010)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen