Sonntag, 14. März 2010

Bildungsbeihilfe

Alkibiades und Sokrates im Gespräch
                                                                  Ausschnitt aus Raffaels Schule von Athen
                                          Vatikanisches Museum Rom

Am Athener Alkibiades, so sagt der römische Historiker Cornelius Nepos, wollte die Natur zeigen, was sie an Begabungen einem Menschen mitgeben konnte. Es gelang ihr mit einer allerdings nicht unwichtigen Ausnahme: Alkibiades fehlte das Gewissen, und selbst der große Lehrer Sokrates mühte sich vergeblich, seinem Schüler beizubrin­gen, was für ein Ding dies sei. Der Knabe machte den  Frauen die Männer abspenstig; sobald der Jüngling bei Frauen auf Interesse stieß, spannte er sie den Männern aus, ohne von den Männern zu lassen. Wie Platon behauptete, scheiterten seine Verführungskünste allein an der Sittsamkeit des Sokrates. Dazu glänzte der junge Mann mit bezwingen­dem Charme und überragender Intel­ligenz bei jedem Symposion. Und: Nachdem sein Vormund, der einzigartige Staatslenker Perikles, an der Pest gestorben war, zeigte sich bald,  dass in den Mauern Athens nur der Stratege Alkibiades über das Talent als verfügte,  die Feinde der Polis in Schach zu halten. Als die Athener ihn trotzdem verärgerten, kehrte er ihnen prompt den Rücken und deser­tierte zu ihren Erbfeinden nach Sparta. Deren Erziehungsdiktatur war insofern nach sei­nem Geschmack, als sie auf Pädophilie basierte: Der Beischlaf mit Schutzbefohlenen war üblich; Umarmungen gehörten gewis­sermaßen zur Wehrertüchtigung.
Nach dem Übertritt nach Sparta galt Alkibiades als Weltmeister des Verrats - es war nur ein Auftakt. Frontwechsel wurde dem Genie ohne Gewissen zur Gewohnheit. Mit dem gleichen Opportunismus, mit dem er zu den Spartanern überge­laufen war,  verdingte er sich den Persern, jenen Feinden, die am liebsten ganz Hellas überrennen wollten.  Wider Erwarten aber wurde ihm  die eigene Leichtfüßigkeit doch noch zum Ver­hängnis: Die Athener legten ihm Niederlagen zur Last, die er nicht verschuldet hatte, bei den Spartanern hatte er keine Freunde mehr, seit er sich an der Gattin  eines ihrer Könige vergriffen hatte, und die Perser trauten ihm ohnehin nicht über den Weg. Als dann Spartaner und Perser ein Zweckbündnis schlossen, waren seine Stunden gezählt. Leute, die mit ihm persönliche Rechnungen offen hatten, schickten Meuchelmörder nach ihm aus. Sie zündeten das Haus an, in dem er in den Armen einer Hetäre lag.  Er griff nach seinem Schwert und stürzte ins Freie, um seine Geliebte und sich selber zu verteidigen, aber die Mörder schlugen ihm den Schädel ein.
Nur so viel über griechische Lebens­art. Was das alte Rom angeht, dessen Dekadenz Guido Wester­welle neulich zum abschreckenden Vergleich mit gegen­wärtigen deutschen Verhältnissen  herangezogen hat: 
Caius Maecenas
Clipart.com
Dass Politiker die Stim­men des Prekariats kauften, war bei den Römern Staatsraison. Das Gegengeschäft finanzierten sie nicht nur, indem sie Provinzen ausbeuteten, die ihnen zur Verwaltung überlassen worden waren. Wie das Bei­spiel  des Maecenas lehrt, konnten Politik und Reichtum unlöslich miteinander verwach­sen. Ohne in einem Staatsamt Verantwortung zu überneh­men, stieg der Reichste der Reichen mit unbeschränkter Vollmacht zum Vertreter des Princeps Augustus auf.
Merkzettel nicht nur für Außenminister: Ob es nach tatsächlicher Lage der Dinge zu empfehlen ist, sich auf Vorfälle in der Antike zu berufen,  sei dahingestellt. Das Material liefert immer mehr als nur eine Anzüglichkeit.





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen