Mittwoch, 10. Februar 2010

Urheberrechtsexzess

Wir lernen nicht aus. Zwar ist es noch immer nicht ausgeschlossen, dass die 17-jährige Helene Hegemann, die Verfasserin von Axolotl Roadkill, ein Genie ist, und dies ungeachtet der von ihr eingeräumten Tatsache, dass sie hemmungslos fremde Literatur ausgeschlachtet hat – siehe die Randbemerkung Ich habe abgeschrieben von gestern. Doch heute morgen wird der Kenner der Berliner Szene Jürgen Kaube in der FAZ familiär und liefert uns eine unschätzbare Information: Die Autorin, welche die Literaturszene seit Tagen in Atem hält, ist die Tochter von Carl Hegemann, des Theaterschaffenden und Professors für Dramaturgie an der Leipziger Hochschule für Musik und Theater, der sich seinen Namen unter anderem damit gemacht hat, dass er für den Prinzipal der Berliner Volksbühne Frank Castorf anderer Leute Texte mundgerecht verrührt hat. Castorf  wiederum leidet bekanntlich an unheilbarer Logodiarrhoe, und ihm oder seinem Umfeld ist ohne weiteres der Begriff „Urheberrechtsexzess“ zuzutrauen, mit dem die junge Helene so naseweis wie befremdlich um sich geworfen hat. Kurzum, wenn Jürgen Kaubes Hinweis ins Schwarze träfe, dann handelte es sich bei Helene Hegemann nicht um Genialität, sondern um einen Milieuschaden. Mir täte es leid. Ich hätte gern daran geglaubt, dass uns eine Pauline Verlaine erschienen sei. Dichter oder Dichterinnen mit wildem  Genie sind verdammt selten.

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