Ein Vorschlag zur Güte: Man schließe für zwei oder drei Jahre alle mit Steuergeldern geförderten kulturellen Einrichtungen in sämtlichen Städten und Gemeinden der Republik, schicke die in ihnen Beschäftigten mit ungekürzten Gehältern in eine kollektive Sabbatzeit und warte ab, was sich ergibt, wenn man nachher erstens die Einsparungen nachrechnet und zweitens das Volk fragt, ob es etwas vermisst habe. Die Prognose: Das Experiment schlägt nicht weitaus nur günstiger zu Buch als alle denkbaren Sparmaßnahmen bei laufendem Betrieb; obendrein ist das Publikum ganz einverstanden damit, dass ihm niemand mehr zumutet als TV-Programme, die sich ja durch Gebühren oder Werbung finanzieren lassen. Dann und wann ein Fernsehfilm, der aus dem Rahmen fällt, oder diese oder jene Talkshow, welche die Gemüter zu Recht erhitzt – das genügt zur Befriedigung höherer Ansprüche.
Und ehrlich gefragt: Liefert uns der gegenwärtige Kulturbetrieb tatsächlich mehr? Ein Staatstheater, das den sogenannten Roman "Axolotl Roadkill" eines durchgeknallten Teenagers namens Helene Hegemann so ungeschickt wie möglich auf die Bühne bringt? Es reicht nicht einmal zum Aufschrei. Wer sich die Prozedur angesehen hat, winkt nur noch müde ab. Doch dies lediglich in Parenthese. Es geht ums große Ganze, und dieses Ganze wirkt, als hätten die Leute, die hierzulande Kunst machen, selber die Kunst satt.
Die Kulturpolitik aber? Herausforderungen einklagen? Zulassen und fördern, dass die Grenzen über das längst Gewohnte hinaus erkundet werden? Oder auch nur der Kultur freien Lauf lassen, damit sie Zeit für die Einsicht findet, dass sie auf dem Holzweg ist? Wer kommt schon darauf? Die Politik blamiert sich querfeldein nach Kräften, und wenn sie sagen soll, wozu Kultur gut sein könnte, stottert sie erbärmlich.
Vor ein paar Jahrzehnten hat die Parole Kunst für alle! die Leute aus dem Häuschen gebracht. Soziale Skulpturen versprach, dank überbordendem ideologischem Impetus, Joseph Beuys. Peter Zadek zwirbelte, ohne einen Gedanken auf irgendeine Theorie zu verschwenden, die Darsteller in seinen Inszenierungen, bis sie „aufhörten sich zu verstellen und begannen sich zu enthüllen“ (der Zadek-Schauspieler Gert Voss). Beuys und Zadek besetzten die extremen Positionen. Zwischen ihnen schritten andere Demiurgen unterschiedlichen Formats zu anderen Taten. Sie waren unterwegs, und das Publikum zog, wie auch immer gestimmt, jedenfalls bei der Sache, mit ihnen.
Sicherlich, Revolutionen laufen sich tot und verenden als Farcen. Was stört, ist nicht der Überdruss. Hingegen stört, dass alle so tun, als stimmte lediglich die Kasse nicht. Also im Ernst: Ein großes Sabbatical, eine Auszeit für alle, kann nicht nur nicht schaden. Die verordnete Freizeit kann sogar nützen und Kräfte freisetzen, die sich ineinander enervierend verknäult haben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen