Samstag, 5. März 2011

Ansichten eines Kronzeugen

Ausstieg oder Nicht-Ausstieg: König Abdullah II. von Jordanien, Absolvent der Royal Military Academy Sandhurst, bringt seiner Schwester Iman im Jahr 2000 das Fallschirmspringen bei. Iman soll fit sein, wenn sie selber nach Sandhurst geht. foto: DVA
Ben Ali von Tunesien ist erledigt, Mubarak von Ägypten ebenfalls, der bluttriefende Gaddafi von Libyen lehnt sich noch gegen seinen Untergang auf. Was in Arabien demnächst auf dem Programm steht, weiß (vielleicht) Allah, sonst niemand.* In Amman, über dem die Haschemiten-Flagge weht (124 m über dem Wüstenboden), ist am ehesten zu wünschen, dass die Herrscher-Familie am Ruder bleibt. Sie bemüht sich nun schon in der vierten Generation, Vernunft walten zu lassen. Daran will sich König Abdullah II. halten. Anders als die meisten seiner Kollegen hat er auf der Stelle verstanden, was der Lärm vor seiner Tür bedeutete, und er hat die Regierung ausgewechselt. Mag sein, es klappt tatsächlich; so schön, dass sie bei annehmbarer Lage nicht verzichtbar wären, sind Revolutionen auch für Revolutionäre nicht. Die Flächenbrände nebenan zeigen es.
Am Montag erscheint die deutsche Übersetzung von Abdullahs Autobiographie. Der Titel: Die letzte Chance – Mein Kampf für Frieden im Nahen Osten (DVA, München, 448 S., 22,99 Euro). Ich habe das Buch nicht gerade mit brennender Neugier zur Hand genommen und bin überrascht. Selbstverständlich: Abdullah ist Partei – Partei nicht nur, was Israel angeht, sondern auch im Umgang mit Arabern; er nimmt politische Rücksichten; er will so glänzend wie möglich dastehen. Und: Jüngste Ereignisse lassen einiges in einem anderen Licht erscheinen. Doch dies alles hält sich in Grenzen, die angestrebte Vernunft schlägt durch, der Bekennermut ist erfreulich uneitel, und unterhaltsam ist das Ganze auch noch. Kurzum, Abdullahs Ton überzeugt.
Empfehlung: kaufen, lesen, Einsichten aus den Ansichten eines Kronzeugen gewinnen.
* Peter Scholl-Latour weiß es auch nicht.

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