Zeit-online, 05.10.2010, 19:13: Zuschrift von Kleinempfänger, einem Stammleserbriefverfasser des geschätzten Blattes: “Unsere christlich-jüdische Tradition... – In den letzten paar Monaten ist mir schon mehrmals diese Kombination aus den Reihen der CDU aufgefallen... Ob der Islam zu unserer Kultur gehört sei mal dahin gestellt, aber gehört das Judentum in einer Weise zu unserer Kultur, dass eine explizite Nennung sinnvoll ist, wenn es darum geht diese zu charakterisieren? Wenn das Judentum in diesem Zusammenhang genannt wird, was ist dann mit anderen, beispielsweise nicht explizit religiösen, Einflüssen auf unsere Kultur? Wie kommt man in diese privilegierte Position?“
Abgesehen von der jüdischen Heimat Europa, an der weder Anne Frank noch Albert Einstein Zweifel hatten: Mit Bibeltexten kann der Homo occidentalis allen christlich-jüdischen Wurzeln zum Trotz dem Menschenschinder Muammar al-Gaddafi schwerlich beikommen. Es gibt, im Gegenteil, gewisse Verwandtschaften der Weltreligionen, die freilich quellenkritisch – was gilt zu welcher Zeit für wen? – differenziert sein wollen. Rein theologisch betrachtet, sieht es wohl so aus: Nicht nur Allah ist ein kämpferischer Typ, auch Jahwe, der Gott Israels, ruft schon mal zum Völkermord auf (4. Mose 21, 34-35). Und die Feindesfeindschaft des Allmächtigen schlägt selbst bei jenem Rabbi durch, der dann zum Segen der Menschheit die Feindesliebe gepredigt hat. Verwechselt Jesus von Nazareth doch seinen Freund Petrus, der ihm einen gutgemeinten Rat gibt, mit dem Erzfeind: „Tritt hinter mich, Satan! Du bist für mich eine Ursache des Strauchelns, weil du nicht Gottes Gedanken denkst, sondern die der Menschen.“ (Mat 16, 21-23). Andererseits betrifft Mitgefühl in der Bibel nur die eigenen Leute – auch an den Ufern von Babylon (Psalm 137).
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