Dienstag, 26. April 2011

Morgenrot im Monopol

Doppelseite aus monopol: Wie zu küssen ist                  jn-Foto
Niemand soll behaupten, monopol sei ein Spielverderber; im Gegenteil, das Magazin für Kunst und Leben aus dem Hause Ringier ist dem Nachwuchs jener Claque verpflichtet, deren Vorgänger-Generation die Zeitschrift art (Gruner + Jahr) herangezogen hat, das Jasager-Blatt, das vor gut dreißig Jahren der Reporter, Kochbuchautor und Werbemann Wolf Uecker nach dem Geschmack seines Auftraggebers Henri Nannen gründete. Den Geist des legendären stern-Chefredakteurs und nachmaligen Museums-Eigners in Emden atmet art nach wie vor, seine tiefinnere Überzeugung, ein Kunstwerk habe zu sein, was Künstler und Kunstbetrieb uns servieren, und monopol hielt sich ebenfalls an das Erfolgsrezept. Genauer betrachtet, hat es sich bis zum jüngsten Heft so gut wie unbeirrbar daran gehalten.*
Die durch unentwegte Verwendung fadenscheinige Masche ist auch im neuen monopol-Heft zu finden – wenn etwa eine Autorin, die "fragil" und "spröde" wirkenden Gebrauchsgegenstände Nina Canells rühmt. Mit ihrem lieblichen Gesicht unter aschblond wuseliger Frisur könnte die Künstlerin, geboren 1979 in Schweden, ohne weiteres als naives Opfer in einem Wallander-Krimi überzeugen. Doch sie hat es mit Gedanken, weswegen sie Fundstücke arrangiert und dem in ihnen „gespeicherten Wissen“ nachspürt. Nachdem die Künstlerin Canell sich ihrer angenommen hat, sehen eine säuberlich verlegte Antenne und eine Emailleschale, aus der Wasserdampf steigt, allerdings immer noch aus wie eine säuberlich zurechtgebogene Antenne und eine Emailleschale, aus der Wasserdampf steigt.
Und doch sollen uns diesmal Schuppen von den Augen fallen, und Hoffnung beschleicht uns, dass im Kunstjournalismus eine neue Ära am Horizont heraufzieht. In seinem Editorial nämlich macht uns der Chefredakteur Holger Liebs den Mund wässerig und verheißt Aufschluss über die Natur von Vernissagen:  „Wir haben uns diesen Nukleus der Kunstwelt mal so angeschaut, als wären wir Aliens, die frisch nach der Landung in eine Kunstgalerie gestolpert wären. Aus ethnologischer Distanz sozusagen...“
Es geht darum, wie man sich für Ausstellungseröffnungen anziehen soll, wie man sich tunlichst bei ihnen benimmt, und darum, wer (hinzufügen: außer einem selber) die merkwürdigen Leute sind, die man zwischen den Kunsterwerken antrifft.
Hand aufs Herz, das Heft spielt erstens glänzend mit Ironie und löst das Versprechen seines Blattmachers ein. Zweitens erörtern anschließend ein Künstler, ein Kurator und ein Sammler die „Schnittmengen von Parallelsystemen“ im Kunstbetrieb, und mindestens so interessant wie das gespreizte Gerede des Trios sind die Einsichten, die zwischen den Zeilen des Protokolls heraufdämmern. Drittens durchleuchtet Anthony Haden-Guest unter der Überschrift Raus bist du die Machtspiele auf dem Kunstmarkt sowie die speziellen Intrigen und die Schwarzen Listen der Zunft.
In monopol leuchtet ein Morgenrot? Natürlich kann es wieder verblassen, aber das Heft beweist kritischen Witz, und das ist zu rühmen.
* Über Henri Nannen: Gerhard E. GründlerMit den Träumen der Leute spielen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen