Sonntag, 13. März 2011

Wer zieht denn da am Draht?

Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze“ – Friedrich Schiller im Prolog zu Wallensteins Lager,  Uraufführung  in der Regie des Prinzipals Goethe am 6. November 1798 im Hoftheater zu Weimar.
Schillers Satz über die schnöde Vergesslichkeit des Publikums gilt immer noch, obwohl sich das Versinken von Schauspielern in unbekanntes Dasein durch die ständige Wiederholung von Fernsehproduktionen heutzutage etwas hinauszögert. Für Journalisten ist das Gesetz Aus den Augen, aus dem Sinn (Volksmund) hingegen uneingeschränkt in Kraft. Wieso auch nicht? Wie der Name sagt, schreiben Journalisten für den Tag, und Zeitungen von heute dienen morgen zum Einwickeln von Heringen. Besser: Sie dienten. Dieses Präteritum  verdanken wir vermutlich Gesundheitsbehörden, welche die Einschlagen von Fischwaren in Druckerzeugnisse verboten und für diesen Zweck die Verwendung von Klarsichttüten vorgeschrieben haben. Wie dem auch sei, der Wandel der Zeiten dringt in den letzten Weltwinkel, und selbstverständlich hat er auch jene Instanzen erfasst, die dazu erfunden wurden, das Publikum und Presseleute hinters Licht zu führen. Früher hießen sie Pressestellen, neuerdings Pressecenter oder Pressetreffs, und unsereins kann erleben,  dass diese Einrichtungen nicht mehr mit hauseigenen und selbstredend dem eigenen Haus verpflichteten Journalisten besetzt sind, was früher die Regel war, sondern dass die von einer Serviceplan Gruppe betrieben werden.
Der Pressetreff des ZDF zum Beispiel ist eine Einrichtung dieser Art. Er beschreibt seine Tätigkeit so: „Neben den Pressemitteilungen zum Unternehmen finden Journalisten weitere Informationen und Pressemitteilungen zum Programm und seinen Machern im Pressetreff-online.“ Was trotz elend stumpfer Sprache wohl dazu aufrufen soll, vorgefertigte Versatzstücke zu verwenden.
Der Journalist aber, der meint, er könne mit Pressecentern oder Pressetreffs umgehen wie früher mit den Pressestellen, schneidet sich in den Finger. Die Vorgehensweise Anrufen oder ein paar Zeilen schicken, Antwort bekommen oder sich Ausflüchte anhören, aus der sich mit etwas Glück ein einigermaßen berechenbares Vertrauensverhältnis entwickeln konnte, ist passé. Statt dessen hat der Auskunft begehrende Journalist, und wäre länger als ein halbes Jahrhundert im Beruf und tatsächlich nicht ganz unbekannt geblieben, erst einmal einen Fragebogen auszufüllen, und ob er Gnade vor den gestrengen Augen der Service Plangruppe findet, ist höchst ungewiss. Die Plangruppe  nämlich teilt dem sehr geehrten User womöglich mit, Voraussetzung bedient zu werden, sei eine sei „regelmäßige Berichterstat-tung“ über das ZDF, für die „auch ein evtl. Presseausweis allein noch kein Nachweis“ sei.
Der User dankt und verweist auf Goethes Götz und dessen Antwort  auf die Frage, ob er ein Hundsfott sein wolle: „Mich ergeben! Auf Gnad und Ungnad! Mit wem redet Ihr! Bin ich ein Räuber! Sag Deinem Hauptmann: Vor Ihro Kaiserliche Majestät hab’ ich, wie immer, schuldigen Respekt. Er aber, sag’s ihm, er kann mich...“ Wie vielleicht erinnerlich, fällt der Fluch im Urgötz von 1771/73 um einiges gröber aus. Goethe selber hat ihn dann abgemildert. Ich kokettiere mit feiner Art und lasse es mit der späteren, der artigen Fassung mit ihren Auslassungszeichen genug sein.

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